Die Seminare
Die Seminare bilden das Herzstück der Herbstakademie. In Kleingruppen werden verschieden Themenfelder intensiv mit Mentor_innen bearbeitet und auch der Austausch mit Stadtmacher_innen gesucht. Die inhaltlichen Schwerpunkte reichen von der sozial-ökologischen Stadt über Formen gemeinschaftlicher Sorgearbeit, geteilter Ressourcen, zukünftiger Umbaukultur, neuer Boden- und Wohnungspolitik bis hin zu Praktiken der Koproduktion. Das Neue Frankfurt dient dabei als Inspiration und Referenzrahmen.
Kritisch Erben für eine solidarischere Stadt
Über Bodenpolitik, Leerstand und Wohnraum als Gemeingut
Gabu Heindl. Professur für Bauwirtschaft und Projektentwicklung | ARCHITEKTUR STADT ÖKONOMIE, Universität Kassel
Sozialer Wohnbau, eine Stadt, die sich als „soziale Stadt“ feiern lässt, Umverteilung durch eine Hauszinssteuer und Bodenbereitstellung durch Enteignungsprogramme – welche utopischen Ideen der „sozialen Wirtschaftlichkeit“ des Neuen Frankfurt aus den 1920er-Jahren sind heute immer noch wirksam und welche sind in Vergessenheit geraten? Was lässt sich aus diesen Ideen für den heutigen Kontext lernen?
Die neue soziale Stadt besteht schon: Wenn wir den Leerstand unserer Städte nutzen könnten – so auch in Frankfurt, wo zwei Millionen Quadratmeter leer stehen.
Ausgehend von dem Ausstellungsbeitrag „Found Futures. Das neue Neue Frankfurt“ meines Fachgebiets an der Uni Kassel widmen wir uns Spaziergängen, Ausstellungsbesichtigungen und Gesprächen mit Aktivist_:innen sowie der gemeinsamen Beschäftigung mit Bildern, Konzepten und Errungenschaften vergangener urbaner Utopien, um eine kollektivere und solidarischere Zukunft zu konzipieren.
Commons Kitchen
Folke Köbberling. Professur am Institut für Architekturbezogene Kunst, TU Braunschweig
commons kitchen ist ein temporäres Forum, konzipiert wie eine Fernsehkochshow, in dem das Verhältnis von Stadt, Ernährung, Versorgung und städtischer Infrastruktur praxisorientiert zum Ausdruck kommt. Anders als bei der Frankfurter Küche geht es um die Vergemeinschaftung von Sorgearbeit, Großküchen, Kantinen, Volksküchen und „Containern“ – die städtische Ernährungsinfrastruktur. Das Zubereiten mündet in unterschiedlichste Ausdrucksformen. Es können alle denkbaren Materialien verwendet werden: Bau- und Bastelmaterial, verschiedenste Medien und Texte. Daraus hervorgehen kann eine Beschreibung, eine Performance, eine Satire, ein Verbesserungsvorschlag oder ein Gericht für die Stadtbewohner_innen als eine Stellungnahme, die über die üblichen Formen von Kritik hinausreicht. Durch Bauprozesse, Videoaufnahmen und Live-Aktionen entsteht das performative Format der commons kitchen.
Elements of Care: Practicing Urban Curating
Elke Krasny. Professur für Kunst und Bildung, Akademie der Bildenden Künste Wien
Um die Jahrhundertwende wurde von Architekt_innen, Künstler_innen und Stadtplaner_innen eine neue Praxis der Auseinandersetzung mit dem Urbanen vorgeschlagen: Urban Curating. Das Seminar untersucht, wie sich das städtische Kuratieren von einem ‚social turn‘ zu einem ‚elemental turn‘ bewegt, der sich mit Luft, Feuer, Erde und Wasser beschäftigt. Der ‚elemental turn‘ ist eine kritische Diagnose der heutigen Lebensbedingungen. Sie unterstreicht die dringende Notwendigkeit, sich um diese Elemente als lebenswichtige und autonome Bestandteile des (städtischen) Lebens zu kümmern. Urbanes Kuratieren heute erforscht daher Praktiken der Sorge und des Reparierens. Das Seminar zielt darauf ab, gemeinsam zu verstehen, wie die vier Elemente als Elemente der Sorge verstanden werden können. Dabei werden Orte in Frankfurt identifiziert, die in Bezug auf Elemente der Sorge von Interesse sind und es wird versucht, Ideen und Konzepte zu entwickeln, wie Urban Curating mit diesen Orten auf sorgende und reparierende Weise arbeiten könnte.
Ressourcen – Bestand als Commons
Paola Alfaro – d’Alençon, Professur für Städtebau und Entwerfen im internationalen Kontext, Frankfurt University of Applied Sciences
Wie können die Siedlungen des Neuen Frankfurt heute als Commons gedacht und gestaltet werden – solidarisch, zugänglich, gemeinschaftlich? Ausgehend vom gebauten Erbe des Neuen Frankfurt erproben wir neue Szenarien für urbanes Wohnen. Im Zentrum steht die Frage, wie räumliche Ressourcen – Wohnungen, Gärten, Höfe, Infrastrukturen – als gemeinsame Güter neu interpretiert und weiterentwickelt werden können. Das Seminar verknüpft gestalterische Praxis, über das architektonische Entwerfen, mit gesellschaftspolitischen Fragen. In interdisziplinären Teams entwickeln die Teilnehmenden räumliche Szenarien und experimentelle Prototypen, welche an die konkreten Bestandssiedlungen des Neuen Frankfurt ansetzen. Ausgangspunkt ist die Auseinandersetzung mit dem gebauten Bestand als gemeinsame Ressource im Mittelpunkt: Ziel ist die Weiterentwicklung im Sinne einer neuen Umbaukultur – r: ressourcenschonend, inklusiv und gemeinschaftsorientiert.
As we see fit* – Prozesse als Commons
Renée Tribble, Professur für Städtebau, Bauleitplanung und Stadtgestaltungsprozesse, TU Dortmund
Das Seminar beschäftigt sich mit den Voraussetzungen und Bedingungen für die Koproduktion von Stadt. Im Sinne des utopischen Überschusses wollen wir uns mit ‚idealen‘ Prozessen beschäftigen. Wie können wir einen solchen Prozess für und von uns allen tatsächlich entwickeln? Wie können wir an gemeinsamen Problemen arbeiten und uns daran beteiligen? Wann und wie können wir uns einbringen? Welche Probleme oder Momente ermöglichen Kollaboration? Wie teilen wir Wissen und Macht in Planungsprozessen? Was macht einen Prozess (aus wessen Sicht) ‚ideal‘?
Anknüpfend an die Methodik des Participatory Action Research und der Maßgabe möglichst breit und niedrigschwellig Grundlagen für Stadtplanung mit dem Wissen der Vielen zu schaffen, arbeiten wir an der Auflösung des Paradoxons „die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig […] zu unterrichten“ (BauGB) und der ungeklärten Frage chancengleicher Ressourcen für Raumgerechtigkeit.
*Der Titel bezieht sich auf folgendes Zitat und zielt abgewandelt auf die Frage von Prozessen und deren Gestaltung:
„people neet to not only be able to make decisions about what space will be but they also need to have the opportunity to use space as they see fit, to have spaces that facilitate interaction, creativity, and exchange.“
Anderson, N. (2011). Social Infrastructure as a Means to Achieve the Right to the City.